Wertvolles Ballett-Training hat Struktur

Dass ein guter Unterricht mit Kindern sich von einem Training mit fortgeschrittenen Schülern unterscheidet ist klar. Allein die Bewegungsabläufe, die Komplexität der Übungsfolgen sowie die Dauer des Trainings versuchen wir auf die jeweilige Altersstufe anzupassen. Dass Kinder andere Voraussetzungen mit sich bringen begründet sich durch die einzelnen Wachstums- und Entwicklungsphasen. Die Knochen, Sehnen und Muskeln befinden sich noch im Entwicklungsstadium und müssen anders belastet werden, als bei Erwachsenen. Zudem kommen die kognitiven Fähigkeiten, die bei Kindern noch nicht so weit ausgereift sind, wie bei einem jugendlichen Schüler.

Während Kinder noch ganz mühelos ihren Körper Dehnen können, haben jugendliche und erwachsene Tänzer schon mehr Schwierigkeiten die Flexibilität aufrecht zu halten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass es Kinder im Alter von 10-12 Jahren noch mit wenig Übung schaffen in den Spagat zu kommen. Wohingegen im Alter von 14-16 Jahren, mit Beginn der Pubertät, die ersten Schwierigkeiten mit der Flexibilität auftauchen. Für viele Ballerinen ist es schwierig die Flexibilität aus der Kindheit zu halten. Dass sich der Körper und der Geist in den einzelnen Entwicklungsphasen stark verändert ist uns bekannt. Doch wie passen wir das Training an diese Entwicklungsphasen an, um die Schüler da abzuholen, wo sie stehen?

Bedarf es hier einer festen Struktur?

Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Schüler zum Unterricht kommen, um etwas zu lernen und dabei Spaß zu haben! Kinder haben einen natürlichen Drang, sich zu bewegen und zu tanzen. Dass sie sich dabei ausprobieren dürfen und in verschiedene Rollen schlüpfen können ist sehr wichtig und sollte im Fokus beim Aufbau des Kinder-Trainings stehen. Durch diese spielerische Aufgabe lernen Kinder sich in eine andere Person hinein zu versetzten (wie es wäre eine Prinzessin zu sein, oder ein Seestern). und entwickeln wichtige empathische Fähigkeiten.

Nicht zu vergessen hier steht die Neugier etwas auszuprobieren vor dem auferlegten Diktat der Perfektion.

Wie unterschiedlich die Motive und Lernziele im Training sein können sieht man an der Tatsache, dass Kinder sich weniger Gedanken darüber machen wie sie selber wirken, wenn Sie eine neue Bewegungsfolge lernen, wohingegen junge Erwachsene Schüler sehr viel Wert auf eine perfekte Ausführung und auf eine gute Körperform legen.

 

Training an der Stange

Durch das Motiv entwickelt sich die Motivation

Wenn sich das Bild im Kopf über die eigene Ausführung mit der tatsächlichen Darstellung der Bewegung deckt ist der Schüler motiviert. Das was er also verstehen kann und auch umsetzten kann ist Voraussetzung für einen erfolgreichen Unterricht. Wenn wir beispielsweise „demi plie“ in der zweiten Position lehren und dabei die Vorgabe für die Ausführung vermitteln, dass wir 180 Grad „en dehors“ haben müssten (und somit nur einem perfekten Ballettkörper ein erreichbares Ziel definieren), werden alle Schüler ohne diese körperliche Voraussetzung unzufrieden sein und auf Dauer schleicht sich Demotivation ein . Definieren wir das Bild bei der Ausführung eines „demi plies“ so, dass es für verschieden Körper adäquat ist: „Wir beugen die Knie mit dem Hüft-Knie und Fußgelenk auf einer Ebene“, dann kann jede Schülerin mit ihren eigenen körperlichen Voraussetzungen ein sauberes „demi plie“ ausführen und wird die Motivation dabei nicht verlieren.

Wer Erfolgserlebnisse hat wird für die vielen Wiederholungen belohnt, die das Training im Ballett mit sich bringt.
Je besser wir den Schwierigkeitsgrad an das anpassen, was die Altersgruppe/Körperform erreichen kann, desto erfolgreicher ist das Training. Dabei ist es wichtig Variationen anzubieten, die Unter- und Überforderung der individuellen Möglichkeiten unserer Schüler vermeidet.
Variationen sind vor allem deshalb wichtig, dass die Schüler lernen, die neue Schwierigkeit in verschiedenen Situationen auszuführen. Beispielsweise taucht ein „demi plie“ auch auf einem Bein auf, wenn ich einen Punkt nach vorne springe, oder auf einem Bein lande.

Bei vielen Wiederholungen und Varianten soll das Üben auch Spaß machen. Deshalb ist es gerade bei jüngeren Schülern wichtig die Konzentration hoch zu halten und dabei den Spaß an der Bewegung nicht zu verlieren.

Was macht also den Spaß am Lernen?

Um den Spaß zu erhalten ist es wichtig ein Lob, oder auch eine ehrliche Korrektur zu bekommen. Wenn wir unangemessen Lob erteilen und die Schüler selber verstehen, dass das Feedback nicht ehrlich war, werden unsere Aussagen unglaubwürdig. Da kann ein Satz wie: „Ich sehe, dass Du die Korrektur versuchst umzusetzen, weiter so!“ dann löst das mehr Spaß beim Üben aus als: „Du machst das prima“, und in Wirklichkeit ist das nicht der Fall – und auch das Kind selbst versteht das so.
Wir als Trainier sind verantwortlich das zu vermitteln, was erreichbar ist. Wenn wir selber verstehen, wie schwierig es sein kann, bis eine gewisse Übung sauber ausgeführt wird, können wir begeistert davon berichten, welche kleinen Meilensteinen uns dabei geholfen haben zum großen Ziel zu gelangen und wie toll es ist, dass man schon eine kleine Teilbewegung schafft.
So kann das Erreichen eines kleine Zwischenziels auch begeistern und motivieren weiter zu üben.
Dabei darf Spaß und Akzeptanz nicht fehlen, denn ohne Geduld und Ruhe wird keine Basis aufgebaut.

Die eigene Ausführung: der Schlüssel für intuitives Lernen

Durch eine gute Demonstration eines Bewegungsablaufes können wir unseren Schülern helfen, den Bewegungsablauf, die koordiniert mittels Spiegelneutronen intuitiv zu erlernen. Deshalb ist es wichtig auch neben einer guten Kommunikation und Metaphern auf eine saubere Ausführung Wert zu legen.
Wenn die Exercises in höheren Klassen anspruchsvoller werden kann es sein, dass wir Trainer die Ausführung der Übungen schwer exakt ausführen können. Hier kann es auch motivierend für die Schüler sein, wenn eine*r der Schüler selbst demonstrieren dürfen und dabei Korrekturen erhalten. ACHTUNG: es birgt die Gefahr die besten Schüler vermehrt für die Demonstration zu wählen. Dies kann dann für die restlichen Schülern frustrierend oder demotivierend sein.

Um die Motivation hoch zu halten ist die Wahl einer angemessenen Steigerung der Übungsfolgen essentiell. Wird beispielsweise eine Übungsfolge sofort von allen Schülern verstanden und umgesetzt, ist die Übung anspruchslos. Wenn dabei die Wiederholung im Fokus steht, um Kraft aufzubauen (Trainingseffekt), sollte darauf hingewiesen werden, um die Motivation zu halten. Wenn aber der Schwierigkeitsgrad anspruchslos ist und die Übung sofort von allen beherrscht wird gibt es keinen Lerneffekt. Variationen der Übungen helfen dabei, verschieden Anreize zu setzten und Unter- oder Überforderung zu umgehen.

Spass bei den Übungsfolgen entsteht dann, wenn wir sie beherrschen. Um die Schüler bis zu diesem Punkt optimal zu begleiten ist die eigene Demonstration der Bewegung die erste Voraussetzung. Durch das Bild, das insbesondere von Kindern sofort nachgeahmt wird lernt unser Unterbewusstsein.
Es lohnt sich also, viel Aufmerksam in die eigene Demonstration zu legen. Durch gute Metaphern und eine klare Kommunikation helfen wir die Eigenschaften einer Bewegung zu verdeutlichen: Kinder müssen Worte mit realen Dingen verknüpfen. Wenn diese Bilder verankert sind, benötigen die Schüler Zeit auszuprobieren. Hier unterscheiden sich die Eigenlernzeiten von Schüler zu Schüler, weshalb es wichtig ist keine langen Wartezeiten entstehen zu lassen.


Die Struktur eines guten Ballettunterrichts ruht auf Erfahrung :

Ein erfahrener Ballettpädagoge weiß diese Struktur im Unterricht als Instrument einzusetzen und kennt die Stellschrauben, um die Unterrichtseinheiten aufeinander abzustimmen. Durch eine gute Struktur erreichten wir am Ende eines Schuljahres viele kleine Lernziele mit Spaß.

 

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